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Lynn Blattmann

Arno Geiger: Unter der Drachenwand

Arno Geiger schreibt über das Hineinwachsen ins Leben nach der Zerstörung, auch dies ein sehr persönliches Buch mit gutem Ende. Es ist eine Art historischer Roman, der in Oesterreich im 2. Weltkrieg spielt. Darob wird das spannendste in diesem Buch etwas überlagert, nämlich das Wunder des menschlichen Wiederaufbaus nach der Zerstörung.

Dies ist das erste Buch, das ich von Arno Geiger gelesen habe. Ich habe es zur Hand genommen, weil es in den Weihnachtstagen auf dem Couchtisch lag und gerade von niemand anderem gelesen wurde.

Nach dem Klappentext erwartete ich ein weiteres Kriegsrückkehrerbuch mit einer Geschichte über die psychische Vernichtungskraft des Zweiten Weltkrieges, es kam anders.


Ein Buch über das (Nach)-wachsen

Der junge Soldat Veit Kolbe entscheidet sich, seinen Genesungsurlaub nach einer Verwundung 1944 nicht in Wien bei seinen Eltern, sondern in Mondsee auf dem Land zu verbringen. Unweit des Sees gibt es auch die Drachenwand, die dem Buch seinen Namen gegeben hat.

In diesem verschlafenen Ort schwärt zwar seine Wunde am Bein noch eine Weile, aber es beginnt sich auch neues Leben in ihm zu regen, das er anfänglich kaum bemerkt.

Seine Nachbarin Margot, verheiratet mit einem Frontsoldaten, verbringt den Krieg mit einem Neugeborenen im Nachbarzimmer von Veit. Die beiden werden ein Paar, weil es mit Veit besser "klappt" als mit dem Frontsoldaten. Mit anderen Worten, die beiden haben mehr Spass miteinander im Bett und verstehen sich auch sonst gut. So einfach kann das Leben sein.

Die Entwicklung der Beziehung zwischen den beiden wird so subtil erzählt, dass man kaum bemerkt, dass sich da ein Wunder ereignet. Die versehrte Seele des schwer verwundeten Soldaten Veit beginnt langsam nachzuwachsen, dazu brauchte es keine Therapie und keine langen Gespräche über die wahren Grauen des Krieges, sondern ein Gewächshaus mit Tomaten und Orchideen drin, das während der Gefängnisabwesenheit des Eigentümers durch die beiden gepflegt werden muss und ein kleines Kind, das so selbstverständlich in die neue Situation hineinwächst, dass der Soldat seine Panikattacken immer wieder überwinden kann.

Die Geschichte des Soldaten Veit wird mit viel literarischem Aufwand historisiert. Es werden unzählige Briefe zitiert, von Margots Mutter, von Veits Familie , sogar von einem jüdischen Zahntechniker. Damit wird aus dem Roman eine "geniale Authentizitätsfiktion" wie Iris Radisch in einer Kritik in der Zeit schreibt.

Geiger will die Befindlichkeit der Menschen im Krieg beschreiben und er scheut keinen handwerklichen Aufwand dafür. Die wahre Stärke des Buches liegt aber in der fast beiläufigen Beschreibung des Nachwachsens, oder um ein grosses Wort zu gebrauchen, in der "Heilung" des Protagonisten.


Mich interessiert das Individuum in seiner Einzigartigkeit, mit seiner eigenen Geschichte, mit seinen eigenen Gefühlen. (Arno Geiger)


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