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Lynn Blattmann

"Freedom is just another word for nothing left to lose"

Was es bedeutet ein soziales Wesen zu sein



Jeder weiss, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Psychologen haben das untersucht: wir können nicht ohne die anderen. Als Babies und kleine Kinder sterben wir, wenn wir allein gelassen werden, als Erwachsene verkümmern wir, wenn wir zu wenig soziale Kontakte haben.

Dennoch sind uns die anderen oft zu viel. Wir sehnen uns nach Unabhängigkeit, nach Freiheit. Darum verkaufen sich Zelte und Campingausrüstungen so gut. Wir möchten ausbrechen aus der Zivilisation, zurück in die Natur, wild und allein durch die Welt streifen zum Soundtrack der wunderbaren Zeilen von Janis Joplin. Die Realität ist aber, dass wir dann doch lieber auf dem Zeltplatz übernachten, wo die Regeln dicht und die Anderen näher sind als uns lieb ist.

L’Enfer c’est les autres, ist das andere Ende der Skala zwischen Freiheit und Abhängigkeit von den Anderen. Unser Wohlbefinden liegt irgendwo dazwischen.

Welche Unterstützung brauchen wir wirklich? Wovon sind wir abhängig und wo beginnt unsere Freiheit? Das sind Fragen, die wir uns als moderne Menschen individuell immer wieder neu beantworten müssen, die Antworten fallen je nach Alter und Lebenssituation anders aus.


Generell kann man sagen, dass wir als Menschen sehr viel mehr allein können als wir denken, wir haben also mehr Freiheiten als wir meinen, aber wir mögen Abhängigkeiten, wir lieben es eingebunden zu sein, wir leben geradezu von der Währung dieses Zustandes: der Anerkennung.

Ich selbst kann mich zwar auch anerkennen, aber so richtig gut tut sie nur, wenn sie von anderen kommt. Dafür arbeiten wir in lauten und engen Büros, dafür stehen wir stundenlang in der Küche, dafür denken wir uns Gutes aus für unsere Mitmenschen, dafür kämpfen wir für unseren Erfolg. Der Philosoph Axel Honneth sieht in der Anerkennung den «Kernbestand unseres politisch-kulturellen Selbstverständnisses.» Sie ist das geheime Band zwischen den Menschen.

Sie ist aber auch der Grund dafür, dass wir uns oft verstellen und Dinge tun, die wir eigentlich gar nicht wollen. Dort, wo wir auf Anerkennung verzichten wollen, beginnt unsere Freiheit, es ist im Erwachsenwerden immer ein Schritt, sich für das Eigene und gegen das Diktat der Gruppe zu entscheiden.

Freiheit kann sich da aber immer nur kleine Räume schaffen, es gibt keine absolute Freiheit, oder wenn doch, dann nur in dem pessimistischen Sinn von Janis Joplins Liedzeile.


Wir sind abhängige Wesen. Wir brauchen nicht nur die anderen, sondern oft auch zwei, drei Gläser Wein, eine Zigarette, viel zu fettes Essen und anderes, was uns nicht guttut. Wir tun es, weil wir nicht anders können. Wir tun es, weil wir es gerne tun. Wir tun es, weil es unsere Freiheit ist, zu tun und zu lassen was wir wollen, so lange wir damit nur uns schaden können.

Ja, auch so ist die Freiheit mit der Abhängigkeit verquickt, Freiheit ist nicht nur dort, wo es keine Abhängigkeit gibt, Freiheit ist auch, für sich seine Abhängigkeiten wählen zu können. Will ich mich ehelich binden? Will ich eine Familie? Will ich eine Zigarette? Will ich nach dem Wein noch einen dritten Cognac? Es gibt keine guten und keine schlechten Abhängigkeiten, es gibt aber auch keine guten und keine schlechten Freiheiten. Wir müssen entscheiden, was für uns richtig ist und was nicht. Und das ist gut so.

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